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Hallo da draussen,
Ich denke ich weiß jetzt was die Ursache von Tinnitus ist, und wie diese möglicherweise zu verhindern ist. Doch hier erst mal meine Geschichte.
Ich hab seit 15 Jahren einen TT und bin damit, letztendlich, gut zurechtgekommen. Anfangs hatte ich natürlich auch Panik; und es folgte - wie bei fast allen hier - die obligatorische Oddysee: Infusionen; Gingko, Akkupunktur, HBO.... Es ist natürlich nichts passiert mit meinem Ohrgeräusch... Nach einigen Jahren hab ich mich dann irgendwie daran gewöhnt. In den letzten Jahren hatte ich den tt sogar monatelang quasi vergessen ... bis er mir halt durch Zufall wieder in Erinnerung gerufen wurde: Entweder war es ein Artikel in der Zeitung (über tt) oder einfach nur eine stressige Situation bzw. ein kurzer Höhrsturz. Jedenfalls konnte ich mich damit arrangieren.
Eigentlich war ich seit dem intuitiv immer etwas vorsichtig bei lauter Musik. Ich vermied wenn möglich starke akustische Belastung, vor allem die Tanzfläche in Diskotheken. Gut, hin und wieder hab ich dann abends im Bett ein etwas stärkeres "Fiepen" vernommen. Aber in der Gewissheit, dass es wieder vergeht, konnte ich ruhig einschlafen.
Es war alles wunderbar, mehr oder weniger. Bis ich ich dann zu einem Rockkonzert eingeladen wurde. Es spielten ironischerweise die Ärtzte...
Von einem Freiluftkonzert hatte ich eigentlich ziemlich wenig Respekt, war es mir doch unter freiem Himmel - geräuschtechnisch - nie derart unbehaglich gewesen wie in geschlossenen Räumen (bspw. in der Disko). Was sollte mir schon passieren? Nun ja, merkwürdigerweise habe ich sogar noch mein Ticket verbummelt, was mir heute als böses Omen oder als Wink mit dem Zaunpfahl erscheint. (Ich hatte tatsächlich insgeheim den Wunsch, dieses Malheur würde mir den Konzertbesuch ersparen). Ich hab mir dann aber ein neues Ticket gekauft - von dem Schwarzhändler am Bahnhof ... Also gut, wir sind in der Freiluftribüne angekommen.
Als die Vorband anfing zu spielen hat es mir fast meinen Schädel weggehämmert. Die Wand aus Lautsprechern war beidseitig etwa 5 Meter hoch. Ich versuchte mir noch die Ohren zuzuhalten, fragte nach Zellstoff für meine Ohren, wünschte ich wäre woanders, alles ohne Erfolg.
Was mich erstaunte, Ich vernahm in den hohen Frequenzen eine Art Klirren oder Zischen, was sehr sehr unangenehm war, aber ich redete mir ein, daran gewöhnst du dich schon. Tatsächlich war es eher schmerzhaft, aber was sollte ich tun? Gehörschutz gab es nicht, aber dafür Bier in rauen Mengen. Und meine Freunde wollte ich nicht verlassen, es wäre auch ziemlich umständlich gewesen in dem vollen Stadium, sich durch die Reihen zu kämpfen. Ich blieb also 5 Stunden da.
Und das ist der Grund warum ich hier schreibe.
Nicht die Erkenntnis, dass mir eine erneute Therapie mit Infusion, Gingko und HBO wieder absolut nichts gebracht hat. Sondern das mir beim Lesen der Beiträge hier klargeworden ist was die Ursache des Tinnitus ist.
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Also, was ich festgestellt habe:
- in 100% aller Berichte gab es eine akustische Belastung, entweder eine sehr starke oder weniger starke, dafür aber lang andauernde (Kopfhöhrer - Spielen in einer Band - permanente Geräusche der Festplatte oder des Fernsehers - häufig in der Disko gewesen).
- die Betroffenen hatten vorher schon ein ähnliches Geräusch im Ohr (zb. nach der Disko), welches dann aber wieder verschwand
- das Geräusch entspricht häufig dem Geräusch der permantenten Belastung (Festplatte, Monitor) und ist in den meisten Fällen ein hoher Ton
- das linke Ohr ist oft stärker betroffen
- Der tt wird in bestimmten Situationen als lauter empfunden (Stress, Ärger, Müdigkeit, Hunger, Erkältung, Zähnezusammenbeißen, Verrenken der Nackenwirbel)
(Nebenbei, ich habe vollkommen die selben Erlebnisse gehabt als ich meinen tt zum ersten mal hatte: stundenlang Keyboard gespielt über Kopfhöhrer / hatte zu der Zeit Stress in der Familie, Erkältung, Schlafmangel wegen der Abiprüfung/ war wegen Halswirbelproblemen beim Artzt / habe schon früher bei Stille das Geräusch wahrgenommen, und es entsprach später genau der Frequenz, übrigens auch der des Fernsehers)
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Was ich daraus schlussfolgere:
- Meiner Meinung gibt es verursachende Faktoren, in erster Linie Lärm, die sich im Laufe der Jahre akkumulieren. Dabei sind hohe DB (Dezibel) besonders schädlich, sie verkürzen die Zeit bis zum Auftauchen des TT erheblich. Aber auch lange andauernde geringe Belastung intensiviert nachhaltig den TT (der bis dahin kaum wahrnehmbar ist)
- Ein erstes Anzeichen für einen sich entwickelnden TT ist sporadisches Ohrensausen. Die Frequenz des Geräusches entspricht dem späteren TT.
- In der modernen Welt gibt es "unnatürlich" starke und häufige Geräuschbelastungen, für die das menschliche Gehör nicht gedacht sind:
Strassenverkehr, Gehupe, Motoren, Züge - große metallische Geräte (z.b. Baufahrzeuge, Einkaufswagen ..., aber im Prinzip überall in der heutigen Welt) - allgegenwärtige Musikberieselung - IPod - Disko - Konzerte - Musikinstumente - Berufslärm, Maschinenhallen - technische Geräte, Lüfter, Handys, TV, RegistrierKassen - Menschenmengen im allgemeinen, die übliche Gesprächslautstärke usw.
(ich hab mal gehört bei Naturvölkern ist es absolut unüblich (ausser im Streit) laut zu reden oder zu schreien)
- das linke Ohr könnte besonders anfällig sein, weil wir Rechtsverkehr haben, und der Lärm für den Fußgänger oder Autofahrer meistens von links kommt
- In der Natur wird ein feines Gehöhr vor allem in den hohen Frequenzen benötigt um auch das leiseste Rascheln auszumachen. In der modernen Welt tritt aber auch in diesen Bereichen extreme Lautstärke auf. Daher möglicherweise die Schädigung im zumeist oberen Frequenzbereich
- Da auch diverse chemische Substanzen für TT verantwortlich gemacht werden, denke ich, dass das Zusammenwirken von unzähligen Substanzen wie Medikamenten, Alkohol, Nikotin, Pestiziden, industriellen Verunreinigungen ect. einen Einfluß haben, TT quasi eine Zivilisationskranheit ist
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Was man tun kann:
- In jedem Fall Ohrenstöpsel griffbereit haben (vor allem bei einem Rockkonzert)
- Falls die Ursache ein Konzert/Disko war, sollte man sich überlegen den Veranstalter zu verklagen. Er hat m.M. die Pflicht über das Risiko zu informieren und Ohrenschutz anzubieten. Letztlich kann also nur eine gesetzliche Regelung helfen
- Man sollte Ärger und Stress vermeiden. Stresshormone werden auch bei Schlafmangel und Hunger produziert.
- Ablenkung hilft in jedem Fall den TT zu verdrängen. Wenn es zu lästig wird hilft es schon sich mit Freunden verabreden. Fahrrad fahren, spazieren gehen, das Rauschen in den Bäumen höhren
- bei mir wird der TT durch das Zirpen von Grillen/Zikaden fast komplett überdeckt (habe eine CD mit Grillenkonzert). Beim Abschalten der "Musik" empfinde ich den TT leider als sehr intensiv - daher bitte nicht zu oft reinhören!
- Besser einschlafen und durchschlafen kann ich wenn im Hintergrund ein leichter Regenschauer zu hören ist. Ich lasse dafür die ganze Nacht eine CD laufen (es sollte kein Donner zu hören sein, ansonsten wacht man schnell wieder auf). Die Lautstärke sollte allerdings nicht zu hoch sein, da ansonsten der TT am nächsten Morgen sehr unangenehm werden kann
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Hallo Tobi,
Man kann wohl sagen, dass akustische Belastungen irgendwelcher Art in den meisten Fällen für den Tinnitus verantwortlich zu machen sind, aber sicher nicht in allen Fällen. Ich würde mal grob schätzen, dass rund 1/3 der Tinnitusfälle gänzlich andere Ursachen haben. Wie dem auch sei, die persönliche Strategie zur Verbesserung des Tinnitus hat denkbar wenig mit der Ursache zu tun (genauso wenig, wie die Strategie zur Heilung eines gebrochenen Beines etwas damit zu tun hat, was den Beinbruch verursacht hat). Der Tinnitus wird ja lediglich dadurch hervorgerufen, dass das Gehör durch irgendetwas aus dem Gleichgewicht gebracht worden ist, und das Gehirn jetzt den Ton quasi zur Kompensation produziert. Das Problem ist, dass selbst wenn die eigentliche Ursache wieder verschwunden ist, sich in manchen Fällen der Tinnitus durch eine Art akustische Rückkopplung von alleine aufrecht erhält, was ihn dann chronisch macht. Diese Rückkopplung ist leider schwer zu unterbrechen, da das Gehör permanent aktiv ist (es ist ja das einzige Sinnesorgan, das auch während des Schlafes aktiv ist), und man kann hier wirklich nur darauf abzielen, dass man versucht, die Intensität durch verschiedenste Maßnahmen so gering wie möglich hält (Du hast ja einige Maßnahmen schon angesprochen, einige andere sind anderswo in diesem Forum oder auf meiner Home Page erwähnt (ich zum Beispiel habe wie gesagt mit der Vermeidung von Koffein und Alkohol, sowie der gelegentlichen Einnahme einer Schmerztablette (Paracetamol oder Aspirin) gute Erfahrungen gemacht)). Dies sollte dann dafür sorgen, dass der Tinnitus allmählich schwächer wird und eventuell ganz verschwindet.
Thomas
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Hallo Thomas
welche Beweise gibt es denn, dass im Gehirn ein Ton als Kompensation produziert wird? Das Signal könnte genauso gut vom Hörnerv oder von den Haarzellen kommen. Dort könnten einzele Zellen geschädigt sein bzw. nicht mehr richtig funktionieren.
Eine Kompensation würde dann Sinn machen, wenn auf bestimmten Frequenzen gar keine Signale mehr empfangen werden.
Angenommen man ist taub für Töne mit genau 10000 Hz. Normalerweise würde das nicht auffallen, da der Frequenzbereich zu klein ist. Das Gehirn könnte aber versuchen den Ton zu kompensieren, z.b. dadurch, dass sich die isolierten Nervenzellen einfach mit benachbarten Zellen vernetzen:
Ein aktueller Beitrag dazu:
Nervenzellen können sich auch in erwachsenen Gehirnen neu vernetzen
http://www.dradio.de/dlf/meldungen/forschak/840477/
Nach dieser Theorie würden sich 2 Möglichkeiten ergeben: entweder die isolierte Zelle verbindet sich mit einer anderen Zelle, welche für eine andere Frequenz "zuständig" ist, z.b. 10010 Hz. Man würde dann beim Hören von 10010 Hz auch 10000 Hz wahrnehmen.
Oder die Zelle verbindet sich auch mit anderen Zellen, die immer aktiv sind, d.h. unabhängig von Geräuschsignalen. Die Folge wäre ein konstanter TT.
Thomas schrieb:
Ich würde mal grob schätzen, dass rund 1/3 der Tinnitusfälle gänzlich andere Ursachen haben.
ich konnte keinen Beitrag finden in dem Lärm keine Rolle gespielt hat
Beitrag geändert von Tobi (09-09-2008 12:35:33)
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Tobi schrieb:
welche Beweise gibt es denn, dass im Gehirn ein Ton als Kompensation produziert wird? Das Signal könnte genauso gut vom Hörnerv oder von den Haarzellen kommen. Dort könnten einzelne Zellen geschädigt sein bzw. nicht mehr richtig funktionieren.
Der Beweis ist, dass wenn man den Hörnerv durchtrennt, der Tinnitus in der Regel bleibt.
Man kann den Tinnitus in mancher Hinsicht mit dem 'Phantomschmerz' vergleichen, wo Personen, denen zum Beispiel ein Arm amputiert wurde, trotzdem noch Schmerzen im nicht mehr vorhandenen Teil des Arms wahrnehmen.
Siehe auch http://www.neuro24.de/tinnitus.html im Hinblick auf die neurologische Interpretation des Tinnitus.
Tobi schrieb:
Thomas schrieb:
Ich würde mal grob schätzen, dass rund 1/3 der Tinnitusfälle gänzlich andere Ursachen haben.
ich konnte keinen Beitrag finden in dem Lärm keine Rolle gespielt hat
Dann hast Du nicht richtig gesucht. Alleine in diesem Forum habe ich ohne mich sonderlich anzustrengen eine ganze Reihe gefunden (siehe zum Beispiel hier, hier, hier oder hier).
Thomas
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