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Hallo alle zusammen!
Ich bin ganz neu hier, weil ich mit meinem Latein am Ende bin. Bei meinem Freund (30) wurde vor einem halben Jahr ein Hörstürz diagnostiziert, ein permanentes Pfeifen und Rauschen hat er seitdem auf den Ohren.
Er war in seinem Leben auf sehr vielen (extrem lauten) Konzerten und hatte in der unmittelbaren Zeit vor dem Hörsturz starken Druck im Job. Sein Ohrenarzt führte den Hörsturz auf die "lauten Sünden" zurück, zumal er auch zu Hause oft sehr laut über Kopfhörer Musik gehört hat.
Er wurde zunächst 2 Wochen krankgeschrieben, um sich "mal richtig auszuruhen"- ohne Erfolg. Dann kam eine Infusionstherapie, die ebenfalls nichts gebracht hat-das Geräusch ist unvermindert stark.
Im großen und ganzen geht es ihm eigentlich gut - eigentlich. Ab und an, für mich als seine Freundin dann total aus dem Nichts - kommen dann so Sätze wie "Wenn das jetzt mein Leben lang so bleibt, halte ich das nicht aus". Gründe dafür gibt es meist nicht. Er hat zwar noch denselben Job, aber der ist nicht stressiger geworden, eher im Gegenteil. Er zieht sich dann zurück, und ich kann gar nichts machen. Er nimmt nichts an, was ich sage. Die Teilnahme an einem Forum wie diesem oder gar einer Selbsthilfegruppe bzw. Psychotherapie käme für ihn nie in Frage, das schließt er total aus. Und jegliche Form von Entspannungsübung ist für ihn sofort "esoterischer Scheiss".
Wir sind sehr glücklich miteinander, aber das bringt mich/uns an die Grenzen. Ich stehe vollkommen hilflos daneben, und er lässt mich nicht an sich heran bzw. spielt seinen Tinnitus herunter, obwohl ich merke, wie sehr es ihn mitnimmt. Was kann ich als Angehörige noch tun als "kluge Ratschläge" geben? Danke für Eure Hilfe!
Blumfeld
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Hallo Blumfeld,
Willkommen im Forum.
Ich kann die Reaktion Deines Freundes gut verstehen, dann ich hatte anfänglich zum Teil ganz ähnliche Gedanken. Die negative Einstellung vieler Leute in Foren usw. ist in der Tat nicht gerade ermutigend und förderlich (aus diesem Grunde habe ich dann ja auch meine eigene Website eingerichtet, um hier einige positivere Ansätze zu bieten).
Mir hatte es am Anfang sehr geholfen, als ich die positive Wirkung von Schmerztabletten (Paracetamol oder Aspirin) auf den Tinnitus entdeckte. Dies löste zwar nicht das Problem vollständig, aber gab mir doch das Gefühl, dass ich den Tinnitus zu einem gewissen Teil kontrollieren kann, und es gab mir auch langfristig Aussicht auf Besserung, was gleich einen großen Unterschied macht.
Weitere Tipps habe ich ja auf meiner Home Page http://www.mytinnitus.de/deutsch.htm gegeben.
Zur Hintergrundinformation möchte ich auch noch einmal die Seite http://www.neuro24.de/tinnitus.htm empfehlen. Es ist meiner Ansicht nach sehr wichtig, dass man hier richtig 'aufgeklärt' ist bezüglich der Natur des Tinnitus.
Es besteht auf jeden Fall kein Grund, die Sache in irgendeiner Richtung zu dramatisieren. Mit der Zeit wird sich dies alles schon von selbst in harmlosere Bahnen lenken.
Thomas
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Hallo Thomas,
vielen Dank für Deine sehr hilfreiche Antwort, v.a. für den Verweis auf Deine Seite. Wie durch ein Wunder hat mein Freund die Seite quasi komplett gelesen und ernst genommen. ;-) (Ist echt ein kleines Wunder!) Die Tipps mit Aspirin und "Was man vermeiden sollte" wird er - mit etwas Glück - beherzigen.
Nochmals danke und gute Nacht
Blumfeld
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Hallo Blumfeld,
ich kann das auch gut verstehen. Deinen Freund und Dich. Ich habe selbst einen Tinnitus, oder sollte ich sagen zwei. Ein Rauschen besteht seit 12 Jahren und ein Fiepen seit circa 6 Monaten. Beide Male hat mich der Tinnitus total aus der Bahn geworfen. An das Rauschen hatte ich mich nach ein paar Jahren gewöhnt (es wäre gelogen zu sagen, dass es schneller ging). Ich bin auch absolut gegen Selbsthilfegruppen gewesen. Ich dachte immer, sich gegenseitig vollzujammern wie schlecht es einem geht, das hilft mir ja absolut nicht weiter. Bei dem neuen Pfeifen habe ich irgendwie ein Forum gesucht, um mich auszutauschen mit Menschen, die vielleicht noch ein paar Ideen haben, die mir nicht gekommen sind. Thomas kennt sich gut aus und hat mir einige Tipps gegeben. Das tat einfach gut. Vielleicht wäre dieses Forum eher was für Deinen Freund als zu einer Selbsthilfegruppe zu gehen.
Sollte der Tinnitus (und der Hörsturz) bei ihm tatsächlich vom Lärm kommen (und das scheint auf den ersten Blick ja der Fall zu sein), dann helfen auch keine Entspannungsübungen und m.E. auch keine Aspirin. Dann sind die feinen Haare im Ohr verletzt und die regenerieren sich entweder oder nicht. Ich bin kein Ohrenarzt und hoffe, ich sage nichts falsches, aber ich habe noch nie gehört, dass man da mit Entspannungsübungen weiter kommt. Wenn der Stress nicht der Auslöser war, macht das wenig Sinn.
Ich habe es auch als Strafe empfunden, autogenes Training oder Yoga zu machen. Denn es war mir dabei einfach zu ruhig im raum und ich dachte, ich dreh durch mit dem Tinnitus.
Hat Dein Freund schon Möglichkeiten gefunden, sich vom TT abzulenken? Ein Geräusch, das ihm guttut? Ich habe für das Rauschen damals (1997) meinen alten Fernseher (wieder) entdeckt. Der hat so ein Eigenrauschen, das mein eigenes Rauschen im Ohr überspielt. Ich habe monatelang nur mit Fernseher gelernt und geschlafen (ohne Ton, nur mit dem Rauschen). Oder es gibt ja endlos viele CDs mit Meeresrauschen, Gewitter oder Grillenzirpen (hilft bei mir sehr beim Fiepen). Was mir auch immer hilft ist Verreisen. Mal was anderes sehen, lenkt unheimlich ab.
Halte durch, Du machst das richtig. Schlaue Ratschläge sind zwar manchmal nervig (weil Dein Freund vielleicht denkt "Die weiß ja nicht, wovon sie redet), aber er merkt sicher, dass Du es gut meinst und ihm versuchst zu helfen. So ging es mir mit meinem Partner.
Ich wünsche Dir alles Gute und vielleicht konnte ich Dir ein bisschen helfen.
ChriMo
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ChriMo schrieb:
Sollte der Tinnitus (und der Hörsturz) bei ihm tatsächlich vom Lärm kommen (und das scheint auf den ersten Blick ja der Fall zu sein), dann helfen auch keine Entspannungsübungen und m.E. auch keine Aspirin. Dann sind die feinen Haare im Ohr verletzt und die regenerieren sich entweder oder nicht.
Die 'Haarzellen-Theorie' für den Tinnitus ist selbst bei Lärmschäden weitgehend unbewiesen. Nach neuerer Erkenntnis wird selbst bei einer Schädigung des Innenohrs der Tinnitus im Gehirn erzeugt.
Ich zitiere von http://www.neuro24.de/tinnitus.htm
Tinnitus Mythen und Fakten schrieb:
Chronischer Tinnitus wird nach derzeitiger Kenntnis im Gehirn erzeugt. Man kann sich vorstellen, dass Tinnitus durch ein lautes und unangenehmes Geräusch oder einen anderen Schaden an den Haarzellen des Höhrorgans entstehet und das Gehirn sich merkt, dass der Schädigungsmechanismus mit dem Tinnitus zusammengehört. Treten ähnliche laute Geräusch oder Situationen auf, erinnert sich das Gehirn an den Tinnitus. Jede Erinnerung an oder Konzentration auf den Tinnitus löst diesen dann besonders stark aus. Eine pathologische Aktivierung von Haarzellen im Innenohr scheint nicht, wie vielfach angenommen wurde, die Ursache des Tinnitus zu sein.
Selbst bei Lärmschäden braucht man die Situation also nicht als irreparabel ansehen. Es gibt immer Möglichkeiten, dass Nervensystem positiv zu beeinflussen, so dass der Tinnitus sich bessert.
Thomas
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hallo blumfeld,
ich dachte erst, dass du meine freundin bist, die das schreibt, bei uns war es genauso.
plötzlich hörsturz, danach tinnitus bei mir. therapien brachten genausowenig, alles alles wie bei deinem partner.
ich schloss mich in mein zimmer ein, wollte mit niemand reden. dies führte zu depressionen und auch zu selbstmordgedanken, leider wahr. als ich so am ende war, gedanken hatte, die ich so von mir gar nicht kannte, blieb mir keine andere wahl als ein psychologen zu besuchen. ich wollte diese gedanken nie wieder haben.
allerdings gab ich auch die medizinische seite nie auf und kenne jetzt die ursachen für meinen tinnitus. ich weiß was mir hilft und was mir schadet.
die ganzen arztbesuche kosten ne menge zeit und kraft, erfolg stellt sich nicht gleich ein. inzwischen gibt es sogar mehrere wochen, in denen ich kein einziges geräusch höre. diese wochen geben mir kraft, auch wieder schlechtere wochen zu überstehen. im moment pfeift es wieder stärker (bin verspannt und innerlich sehr unruhig), depressionen habe ich deswegen aber keine mehr.
ich habe auch wieder ein stück meines lebens zurück. ich kann wieder in maßen musik machen und auch wieder in discos gehen, allerdings nur mit starkem gehörschutz.
hätte nie gedacht das ich mal wieder soweit komme. verzichten muss ich auf nix mehr, dieses gefühl bin ich los.
die ersten monate waren absolut hart. habe tinnitus nun seit ca. 8 monaten, bin also auch noch recht frisch betroffen. ich lerne jeden tag mehr damit zu leben. anfangs dachte ich auch das schaff ich nie, wollte lieber alles beenden, aber dass muss niemand, auch wenn man das nicht glaubt. hab den leuten hier im forum das auch nie abgenommen, aber "wir" haben recht.
dein freund muss allein aus dieser phase rauskommen, meine freundin konnte mir da auch nicht helfen. aber glaub mir, obwohl ich einen hass auf diese dummen ratschläge anderer betroffener oder selbst meiner freundin hatte, ich war jeden tag dankbar dafür, dass sie mich nicht aufgab und bei mir war. ich bin sicher, dass weis dein freund auch.
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Hallo Steffen,
mein Tinnitus war für 3 Wochen auch mal sehr viel besser geworden. Nur noch morgens hatte ich eine Sirene im Ohr, die dann direkt verschwand, wenn ich aufstand. Abends war nur noch mein Tinnitus da, den ich seit 12 Jahren habe (ein Rauschen! Das Fiepen habe ich seit Mai 2009 - ich empfinde das als Tausend mal schlimmer als mein Rauschen!).
ich hatte schon gehofft, dass der TT sich jetzt so einpendelt. Damit hätte ich gut leben können! Nun ist er aber leider seit 2 Wochen wieder absolut laut und will sich einfach nicht beruhigen. Mich macht das direkt wieder sehr nervös und auch ich habe wieder Selbstmordgedanken. Meinen Partner nimmt das natürlich sehr mit!
Verschwindet Dein Tinnitus dann auch wieder? Macht es Dir keine Angst, wenn er gerade wieder mal super laut ist. ich habe so Angst, dass er sich nun nicht mehr beruhigt, sondern sich eben auf dem lauten Stand einpendelt....
ChriMo
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hallo chrimo,
im moment befinde ich mich auch in einer sehr schweren phase. der tinnitus brüllt im moment sehr laut (vor allem morgens). diesmal verkrafte ich den rückfall auch nicht gut, außerdem habe ich wieder privat sehr viel stress und kann mich kaum um mich kümmern. mache auch schon länger kein sport mehr. dies alles führt im moment wieder zu dem starken tinnitus und depressionen.
gestern war ich nun seit ewigkeiten mal wieder im sport und siehe da, seit gestern gehts mir wieder "etwas" besser. es brüllt zumindest nicht mehr ganz so laut (außer morgens). außerdem habe ich seit di. wieder ein besseres lebensgefühl und einstellung, das hilft mir auch etwas die schlechten gedanken zu verdrängen.
ich sehe das als kreislauf. zumindest sport hilft mir zu einem besseren lebensgefühl, somit bin ich entspannter. da bei mir die verspannungen der hauptauslöser sind, ist das die einzige möglichkeit in zumindest etwas in den griff zu bekommen.
ist immer ein auf und ab, ich hofffe allerdings den zustand wieder zu geregelt zu bekommen, dass ich ihn einfach akzeptiere, wie vor ein paar monaten, wo ich ihn kaum wahrgenommen habe, dass zumindest nur ein rauschen auftrat.
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hallo, ja so geht es mir auch, manchmal ist es monatelang kaum
auszuhalten, dann sind wieder unerklärlicherweise Phasen da, da geht
es " ruhiger " zu. Morgens ist es auch bei mir am lautesten , liegt
auch an den Verspannungen des Nackens und Rückens. man sollte
gleich früh Morgens bestimmte Gymnastikübungen machen.
Nicht jeden Morgen ist es bei mir früh so laut. KOmmt einfach drauf
an, wie ich abends eingeschlafen bin und durchgeschlafen habe . Habe mal gelesen, es ist
auch gut vor dem Einschlafen Entspannungsübungen zu machen
wie progressive Muskelentspannung.
Viel Ablenkung , man darf sich einfach gedanklich nicht zu sehr
auf den Tinnitus fixieren. Mir helfen auch richtig gute und besonders
lustige Filme, um mich abzulenken und von dem ganzen etwas wegzukommen
viele Grüsse Carina
alles Gute
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Hallo alle zusammen,
Ich wollte mich nochmal hier einmischen:
Die tageszeitlichen Schwankungen des Tinnitus sind einfach mit den Schwankungen der nervlichen Aktivität verbunden. Und diese wiederum mit den Schwankungen des Hormonpegels. Da man diesen nie vollkommen unter Kontrolle haben kann, muss man hier immer mit einer gewissen Veränderlichkeit rechnen. Dies trifft auch auf die jahreszeitlichen Schwankungen zu (wenn es gegen den Winter geht, wird es bei vielen Leuten schlechter).
Wie bereits oben angedeutet, hat bei mir in solchen schlechten Phasen meistens eine gelegentliche Schmerztablette (Paracetamol oder Aspirin) geholfen (da diese ja darauf angelegt sind, die nervliche Aktivität zu dämpfen).
Thomas
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